Corona und die bauablaufbezogene Darstellung

Bauablaufbezogene Darstellung

Hamburg, CARNEADES Legal, 29.04.2020, Rechtsanwalt Tobias Voigt und stud-iur. Irina Bojko

Viele Baustellen, ein gemeinsames Problem – Bauverzögerungen aufgrund von Covid-19. Nicht fertigstellte Vorgewerke, krankheitsbedingte Ausfälle im Personal, neue Arbeitsschutzregelungen oder Lieferverzögerungen beim Baumaterial – Covid-19 hängt wie eine graue Wolke über sämtlichen Bauvorhaben und noch ist nicht absehbar wann diese Wolke sich verziehen wird.
Vielfach werden in Bauverträgen die Vertragsbedingungen der VOB/B einbezogen und zum Vertragsgegenstand gemacht. Durch die Corona-Krise rückt insbesondere §6 VOB/B in den Fokus, welcher in Absatz 2 Nr.1 c) den Tatbestand der höheren Gewalt vorsieht. Danach verlängert sich die Ausführungsfrist, wenn eine durch höhere Gewalt oder durch andere dem Auftragnehmer unabwendbare Umstände verursachte Behinderung vorliegt.
Ein für die gesamte Welt unkontrollierbarer, schnell verbreitender Virus? Nach weiter Meinung wohl definitiv ein Fall höherer Gewalt, denken viele Auftragnehmer und verlangen in Berufung darauf die Verlängerung ihrer Ausführungsfristen. Dieser Annahme könnte die Rechtsprechung jedoch einen Strich durch die Rechnung machen. Denn die Feststellung des Vorliegens von höherer Gewalt ist nur der erste Schritt.

Die bauablaufbezogene Darstellung

Der Tatbestand der höheren Gewalt ist unter und als Behinderung in §6 VOB/B geregelt. Dies bedeutet es gelten die allgemeinen gerichtlichen Anforderungen an die Darlegung und Substantiierung von behindernden Umständen. Welche Ansprüche an diese Darlegung im Rahmen von Bauverträgen gestellt werden, darüber sind sich die Gerichte seit Jahren einig. Verlangt wird eine sog. bauablaufbezogene Darstellung, d.h. ein Vortrag über den gesamten Bauablauf, welcher es dem Gericht ermöglicht das Bau-Ist mit dem Bau-Soll zu vergleichen. Dabei hat der Darstellende auf jeden Bauschritt im Einzelnen einzugehen, sowie jede Verzögerung, sei es auch eine eigene, im Detail anzugeben und mit einer konkreten Konsequenz zu versehen. Nur so könne das Gericht darüber entscheiden, ob die ursprüngliche Ablaufplanung überhaupt hätte zum Bauerfolg führen können.

Bisherige Rechtsprechungspraxis

Wer jetzt glaubt bereits dies wäre eine Zumutung, sollte sich mit Blick auf die bisherige Rechtsprechung auf ein böses Erwachen vorbereiten, denn die Gerichte folgen seit Jahren einer klaren, strengen Linie.
In einem vom LG Köln am 09.04.2013 entschiedenen Fall hatte die Klägerin einzelne offene Positionen geltend gemacht, u.a. Nachträge infolge von Ausführungsänderungen und zusätzliche Vergütungspositionen. Das LG Köln wies die Klage als unbegründet ab. In der Begründung heißt es insbesondere die „Klägerin erfasse nicht hinlänglich die zu den Fällen der Bauverzögerung ergangene Rechtsprechung und Literatur“ (Rn.23). Zwar legte die Klägerin die einzelnen Positionen dar, es mangelte jedoch an einer konkreten Gegenüberstellung des gesamten geplanten und tatsächlichen Ablaufs. Nur so könne das Gericht ausschließen, dass die Störung nicht durch anfängliche Fehlplanung des Auftragnehmers verursacht worden ist (Rn.27). Dass der Auftragnehmer auch solche Bauablaufstörungen aufzuzeigen hat, die in seinen eigenen Verantwortungsbereich fallen, begründet das Gericht damit, dass der Auftraggeber sich gegen einen Mehrvergütungsanspruch nur dann zur Wehr setzen kann, wenn der Auftragnehmer vorher eine genaue Darstellung des Bauablaufs erbracht hat (Rn.27). Das Gericht rügte außerdem die fehlende Darstellung der unstreitigen Nachträge (Rn.46).
Dies wollte die Klägerin nicht auf sich sitzen lassen und ging in Berufung, jedoch erfolglos. Das ÖLG Köln bestätige die Ausführungen des LG im Urteil vom 27.10.2014 (11 U 70/13). Dort hießt es, dass ein hinreichender Vortrag der Klägerin auch weiterhin unzureichend ist, da der Bauablaufplan nicht Vertragsgrundlage geworden ist und somit eine konkrete Darstellung auch der unstreitigen Nachträge erforderlich ist. Stellt man beide Urteile gegenüber, könnte man meinen das OLG hat beim LG abgeschrieben, denn die Anforderungen und Begründungen bleiben stets dieselben.
Ähnlich sah es das OLG Hamm in seinem Urteil vom 19.06.2012 (21 U 85/11). Die Schlagworte „konkrete Darstellung“ und „unstreitige Umstände berücksichtigen“ finden sich auch hier vielfach. Zusätzlich stellt das OLG Hamm klar, dass auch Großbaustellen vor diesen Anforderungen nicht verschont bleiben. Ebenso bestätigt vom OLG Frankfurt in seinem Urteil vom 23.07.2013 (6 U 122/12). Anderes Gericht, anderer Fall, aber die Begründung und das Ergebnis bleiben nach wie vor gleich. Auch das OLG Frankfurt weicht von den strengen Anforderungen nicht ab. Sogar den Einwand der Klägerin einige Pläne nicht bzw. zu spät erhalten zu haben und deshalb nicht in der Lage gewesen zu sein eine entsprechende Darstellung vorzulegen, ließ das OLG nicht durchgehen.

Bauablaufbezogene Darstellung im Rahmen von Covid-19

Was bedeutet diese Gerichtspraxis nun für zukünftig zu erwartende Urteile im Rahmen von Bauverzögerungen aufgrund von Corona? Auftragnehmer sollten die bloße Berufung auf Verzögerungen aufgrund der Krise nicht für selbstverständlich nehmen. Die Urteile zur bauablaufbezogenen Darstellung machen deutlich, dass die Gerichte einem Mehrvergütungsanspruch nur dann zustimmen, wenn auszuschließen ist, dass die Verzögerung nicht doch auf eigener Fehlplanung oder durchgeführter Mängelbeseitigung beruht. Es ist nicht ersichtlich, dass die Gerichte für die aktuelle Krise von ihrer bisher sehr klaren und standhaften Rechtsprechung abweichen werden. Es bietet sich also an eine Dokumentation über den konkreten Bauablauf von Anfang bis Ende zu führen und die konkreten Störungen aufgrund von Corona in dieser Dokumentation festzuhalten. Ohne konkrete bauablaufbezogene Darstellung zu den Corona-Auswirkungen und allen sonstigen Vorgängen auf der Baustelle wird der Auftragnehmer seine Ansprüche nicht durchsetzen können. Der Teufel steckt – wie so oft – im Detail.