Zum feinen Unterschied zwischen einem Mediator und der Schweiz

Hamburg, CARNEADES Legal, 07.10.2019, Rechtsanwalt und Mediator Christian Marquardt

In Zusammenhang mit der Rolle des Mediators ist bisweilen von „Neutralität“, aber auch „Allparteilichkeit“ die Rede. Was genau steckt hinter diesen beiden scheinbar ähnlich klingenden Begriffen und was bedeuten sie im Rahmen der Durchführung einer Mediation sowohl für die Medianden als auch den Mediator?

Das MediationsG definiert den Mediator in § 1 Absatz 2 als eine „unabhängige und neutrale Person […]“.

Als Begründung führt die Bundesregierung in ihrem Gesetzesentwurf dazu wie folgt aus (BT-Drcks. 60/11, Seite 19/20):

Die Neutralität, die vor allem eine verfahrensbezogene Bedeutung hat, verpflichtet insbesondere zu einer unparteilichen Verhandlungsführung und zur Gleichbehandlung der Parteien. Dies bedeutet zum Beispiel, dass alle Informationen an alle Parteien gleichermaßen weitergegeben werden und alle Parteien am Fachwissen der Mediatorinnen und Mediatoren in gleicher Weise teilhaben können müssen.

Was verbinden wir im Alltäglichen mit dem Begriff der „Neutralität“? Beispielsweise einen Schiedsrichter auf dem Sportplatz, der zwar für die Einhaltung des Regelwerkes sorgt, sich aber im Wesentlichen aus dem Geschehen heraushält und nur dann eingreift, wenn es strittige Situationen zu klären gilt. Oder auch die Schweiz als ein Land, das sich nicht an bewaffneten Konflikten anderer Staaten beteiligt.

Sicherlich ist „Neutralität“ ein Begriff, der einerseits Unabhängigkeit und gegebenenfalls auch Souveränität vermittelt, andererseits aber auch Distanz und Unnahbarkeit ausstrahlen kann.

Vor diesem Hintergrund wird im Rahmen einer guten Mediationsausbildung daher auch zu Recht Wert darauf gelegt, dass der Mediator mehr als „nur“ neutral, nämlich allparteilich sein sollte.

In BT-Drcks. 60/11, Seite 20/21 heißt es dazu:

Die Mediatorinnen und Mediatoren müssen allen Parteien in gleicher Weise zur Verfügung stehen und ihnen allen gleichermaßen dienen. Wegen dieses über die bloße Neutralität hinausgehenden aktiven Elements wird teilweise auch von einer Pflicht der Mediatorinnen und Mediatoren zur „Allparteilichkeit“ gesprochen.

Der Gesetzgeber möchte hier zum Ausdruck bringen, dass der Mediator mehr als die rein  strukturgebende Lenkung der Mediation verantwortet:

Er soll keine Distanz wahrende und lediglich beobachtende Rolle einnehmen, sondern „allen Parteien in gleicher Weise zur Verfügung stehen“.

Doch was heißt das ganz konkret für die Durchführung des Mediationsverfahrens? Für den Mediator bedeutet dies, den Parteien gegenüber offen und zugewandt zu sein, um ihnen die Gelegenheit zu geben, sich ausreichend und abschließend, ohne unterbrochen zu werden, erklären zu können. Dafür wird es erforderlich sein, dem jeweiligen Medianden das Gefühl zu vermitteln, gut aufgehoben und vollumfassend gehört und verstanden worden zu sein. Es bedarf dafür eines Mediators, der nicht bloß „mechanisch“ Daten und Fakten einsammelt, sondern die Mediation mit Empathie und Fingerspitzengefühl von Anfang bis Ende begleitet.

Nur so können letztlich die maßgeblichen Hintergründe des Konflikts (auch „Konflikt hinter dem Konflikt“ genannt) in einem vertraulich-geschützten Rahmen zum Vorschein gebracht werden und wird es den Medianden am Ende mit Leichtigkeit gelingen, selbständig zu einer nachhaltigen Lösung ihres Konfliktes zu finden.

Für eine erfolgreiche Mediation bedarf es also eines „Plus“ an Neutralität des Mediators: der Wahrung der Allparteilichkeit während der gesamten Verfahrensdauer.