Modekette muss Miete für April 2020 nachzahlen – weiterhin Uneinigkeit vor den Gerichten

Mitte Februar urteilte das Landgericht München I zugunsten des Vermieters einer Gewerbefläche, welche eine große Modekette zum Verkauf ihrer Waren nutzte, aber zeitweise während des 1. Lockdowns schließen musste. Der Mieter sah die staatlich angeordnete Schließung als Anlass die Miete für den Monat April 2020 nicht zu zahlen. Der Vermieter klagte – mit Erfolg.

Kein Mangel der Mietsache
Das Gericht ist der Auffassung, dass ein Sach- oder Rechtsmangel der Mietsache gem. § 536 Abs.1 S.1 BGB nicht vorliege und dem Mieter daher kein Minderungsanspruch zustehe. Zur Begründung beruft sich das LG München I auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) aus dem Jahre 2011. In diesem stellte der BGH klar, dass die Möglichkeit eines nachträglichen Mangels aufgrund von staatlichen Einschränkungen nicht per se unmöglich sei, allerdings voraussetze, dass die bewirkte Nutzungsbeschränkung der Mietsache unmittelbar mit der konkreten Beschaffenheit, dem Zustand oder der Lage des Objekts im Zusammenhang steht. Liegt diese Voraussetzung nicht vor, sei Verwendungsrisiko dem Mieter anzulasten, da dieser bei Gewerberaummieten auch das Risiko der Gewinnerzielung trage. In Anbetracht dieser höchstrichterlichen Argumentation könne auch für den vorliegenden Fall kein Mangel angenommen werden, denn der Zweck der staatlichen Schließungen sei die Verhinderung der Ausbreitung des Virus. Der Zustand oder die Beschaffenheit des Objekts spielen insofern keine Rolle und können nicht als Anhaltspunkt für einen Mangel dienen. Das LG München I stellt jedoch auch klar, dass die Verneinung des Mangels nicht automatisch die Abwälzung des Risikos auf den Mieter bedeute. Vielmehr lägen hier die hoheitlichen Maßnahmen außerhalb der gesetzlichen Risikoverteilung.

Keine Unmöglichkeit
Auch die Befreiung von der Mietzahlungspflicht wegen Unmöglichkeit verneint das Gericht. § 326 Abs.1 BGB sei nur bis zur Überlassung der Mietsache anwendbar. Nach dem Zeitpunkt der Überlassung gelte das besondere Gewährleistungsrecht. Ebenfalls würden die Voraussetzungen der Unmöglichkeit ohnehin fehlen, da „die Auswirkungen der infolge der Corona-Pandemie erlassenen [Verordnungen] mangels Bezugs zur Beschaffenheit bzw. zum Zustand der Mietsache nicht die Leistungspflicht der Klägerin als Vermieterin” beträfen.

§ 313 und die Umstände des Einzelfalls
Besonders interessant ist die Auseinandersetzung mit eines u. U. möglichen Anspruchs auf Vertragsanpassung gem. § 313 BGB. Obwohl dem Mieter dieses Recht grundsätzlich zustehe, stünden vorliegend die Umstände des Einzelfalls einer Vertragsanpassung entgegen. Berücksichtigt wurde u.a. der Grundsatz, dass ein Schuldner für seine eigene Zahlungsfähigkeit verschuldensunabhängig einzustehen hat. Diese setze folglich auch eine vorausschauende Rücklagenbildung voraus. Konkret heißt es: „Eine Betrachtungsweise, die den für die Frage der Zumutbarkeit i. S. d. § 313 Abs.1 BGB maßgeblichen Zeitraum auf die Dauer der Lockdown-Maßnahmen beschränkt, ohne den bisherigen Verlauf des Mietverhältnisses zu berücksichtigen, wird dem Charakter eines Dauerschuldverhältnisses nicht gerecht.“ Bei der Bewertung der Risikoverteilung sei ebenfalls zu berücksichtigen, dass der Mieter den Raum anderweitig hätte nutzen können, z. B. als Lagerräume oder zur ungestörten Umgestaltung. Weiterhin sei bei der Heranziehung des Umsatzes auf die konkrete Filiale abzustellen, da der Mieter sich gegenüber dem Vermieter nicht auf die Verluste oder Gewinne eines anderen Standortes berufen könne. Hier habe die Beklagte keinen konkreten Umsatzrückgang vorgetragen. Insbesondere könne sich dieser angesichts der Umsätze aus dem Online-Shop nicht auf 100% berufen. Zu guter Letzt berücksichtigt das Gericht auch die Jahresüberschüsse der letzten drei Geschäftsjahre, sowie eine Anrechnung der Kurzarbeitergelder. Das Ergebnis dieser systematischen und ausführlichen Zumutbarkeitsprüfung? – Der Mieter hat die gesamte Miete zu zahlen. Die Modekette hatte sich bereits kritisch geäußert und noch ist das Urteil nicht rechtskräftig.

Weiterhin Uneinigkeit in der Rechtsprechung
Wie bereits im letzten Jahr ist sind sich die Gerichte weiterhin uneinig (siehe hierzu unser Beitrag vom 17.11.2020: Das Corona Virus und sein Rattenschwanz – Carneades Legal). In einem ähnlich gelagerten Fall entschied das OLG Dresden in einem Urteil vom 24.02.2021 ebenfalls, dass weder ein Mangel des Mietobjekts noch Unmöglichkeit vorliege. Das vorangegangene Urteil des Landgerichts zur vollständigen Zahlung der Miete wurde in diesem Berufungsurteil jedoch auf 50% der Mietzahlung im Wege einer Vertragsanpassung gem. § 313 BGB reduziert. Zeitgleich entschied das OLG Karlsruhe am 24.02.2021 ähnlich wie das LG München I zuungunsten des Mieters. Zwar gehe das Gericht grundsätzlich davon aus, dass eine Unzumutbarkeit i. S. d. § 313 BGB in solchen Fällen in Betracht kommen kann, allerdings setze diese eine existenzvernichtende Wirkung oder zumindest eine schwerwiegende Beeinträchtigung des wirtschaftlichen Fortkommens des Mieters voraus. Hierin liegt jedoch ein Widerspruch zum Urteil des LG München I. Dort heißt es, eine Vertragsanpassung setze gerade keine Existenzgefährdung voraus. Sie sei vielmehr der „ultimative Anwendungsfall einer Unzumutbarkeit“.

Resümee
Einigkeit besteht wohl bei der mit „nein“ zu beantwortenden Frage, ob eine staatlich angeordnete Schließung einen Mangel der Mietsache darstellt. Gleichermaßen wird sich der Mieter nicht auf Unmöglichkeit der Leistung berufen können. Rund um den § 313 BGB bleiben auch nach Einführung der Vermutung einer Änderung wesentlicher Umstände in Art. 240 § 7 EGBGB (ausführlich hierzu: Neue Regelung für Gewerbemietrecht (§ 313 BGB) – Carneades Legal und Follow-up: Der §313 BGB im Lichte der Pandemie – Carneades Legal) viele Frage noch offen. Der Mieter in dem Fall vor dem OLG Karlsruhe kündigte bereits Revision an, so dass sich hoffentlich bald eine klare höchstrichterliche Leitlinie zu dieser Thematik ergeben wird.