Das Corona Virus und sein Rattenschwanz

Aktuelle Rechtsprechung zum Gewerbemietrecht

Der Lockdown „light“ ist in vollem Gange, dabei haben wir die Auswirkungen des ersten Lockdowns noch nicht ansatzweise überwunden. Auf juristischer Ebene machen sich die Folgen so langsam bemerkbar.

LG Heidelberg zur Mietzahlungspflicht während des Lockdowns Anfang 2020

Zu der Frage, ob Gewerberaummieter von ihrer Mietzahlungspflicht aufgrund von Corona bedingter Beschränkungen befreit werden, äußerte sich das LG Heidelberg (Urt. v. 30.07.2020 – 5 O 66/20) ausführlich und mit einer klaren Linie, die Gewerbetreibenden nicht gefallen dürfte: der Mietzahlungsanspruch des Vermieters bleibt bestehen.

So führt das LG Heidelberg aus, in der pandemiebedingten behördlichen Beschränkung liege kein Sachmangel im Sinne des §536 I 1 BGB und eine Mietminderung komme somit nicht in Betracht. Es ist höchstrichterlich entschieden und allgemein anerkannt, dass auch öffentlich-rechtliche Gebrauchshindernisse und -beschränkungen einen Mietmangel begründen können, vorausgesetzt die Ursache der Beschränkung liegt in der Beschaffenheit und der Beziehung der konkreten Mietsache zur Umwelt. Ausgeschlossen sei dies hingegen bei Umständen, die ihren Ursprung in der Person oder des Betriebs des Mieters haben. Die Pflicht des Vermieters darin die Mietsache in einem Zustand zu erhalten, der dem Mieter die vertraglich vorgesehene Nutzung ermöglicht. Die Nutzung selbst und das damit einhergehende Verwendungsrisiko liege hingegen beim Mieter allein. Die Beschränkung ist somit betriebsbezogen und begründet keinen Sachmangel. Mietminderungsanspruch also Fehlanzeige.

Ebenfalls verneint wurde die Unmöglichkeit nach §275, die bei Vorliegen die Gegenleistungspflicht des Mieters entfallen lassen würde. Das Gericht weist hier auf den Zweck des §537 I 1 BGB hin, welcher die Hauptleistungspflicht des Mieters dahingehend konkretisiert, dass die Mietzahlungspflicht weiter besteht, wenn das Gebrauchsrecht aufgrund eines in seiner Person liegenden Grundes nicht ausüben kann. Da die ständige Rechtsprechung wie bereits oben ausgeführt das Verwendungsrisiko dem Mieter zuweist, handelt es sich um einen in seiner Person liegenden Umstand. Folge: keine Unmöglichkeit. Dem Vermieter steht weiterhin die Zahlung des Mietzinses zu.

Ebenfalls abgelehnt wurde der ohnehin selten anzufindende §313. Bereits die Anwendbarkeit des §313 BGB sei in diesem Fall nicht eindeutig aufgrund einer möglichen Sperrwirkung des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der Covid-19 Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht vom 27.März 2020 und aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls, auf die in diesem Rahmen nicht eingegangen werden soll. Spätestens bei der Interessenabwägung im Rahmen der Unzumutbarkeit scheitert der Anspruch. Zwar liege in der Schließungsanordnung eine Störung der Geschäftsgrundlage nach den Maßstäben des §313, so greift das Argument des Verwendungsrisikos auch hier: „Eine solche Risikoverteilung […] schließt für den Betroffenen […] regelmäßig die Möglichkeit aus, sich bei Verwirklichung des Risikos auf Wegfall der Geschäftsgrundlage zu berufen“. Eine Ausnahme hiervon greife mit Bezug auf ein Urteil des BGH (v. 16.2.2000 – XII ZR 279/97) nur bei einer Existenzgefährdung, welche substantiiert darzulegen sei. Ein bloßer Hinweis auf einen massiven Rückgang der Einnahmen (so in dem vorliegenden Fall) sei nicht ausreichend.

Bestätigung durch LG Frankfurt a.M. und LG Zweibrücken

Schaut man sich das Urteil des LG Frankfurt a.M. vom 02.10.2010 (2-15 O 23/20), sowie des LG Zweibrücken vom 11.09.2020 (HKO 17/20) an, scheint die Entscheidung und Begründung des LG

Heidelberg Spuren hinterlassen zu haben. Begründung und Ergebnis bleiben – dem Grund nach – dieselben. Im Rahmen der Interessenabwägung bei der Prüfung des §313 berücksichtigt das LG Zweibrücken, dass auch der Vermieter von den Beschränkungen betroffen und auf etwaige Mieteinnahmen mit Hinblick auf Finanzierungen und Erhaltungskosten angewiesen sei. Gewerbetreibende hingegen haben einen Anspruch gegen den Staat und erhalten durch Umsatzsteuersenkung und Kurzarbeitergeld noch weitere Instrumente zur Überbrückung. Ebenfalls sei ein Ausbau des Onlinehandels und die Nutzung der Gewerbefläche als Lagerraum möglich.

„Rebellion“ des LG München I

Anders das Urteil des LG München I vom 22.09.2020 (3 O 4495/20). Im Gegensatz zu den „Kollegen“ lies das LG München I eine Mietminderung passieren . In seiner Annahme eines Mietmangels aufgrund der Minderung der Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch, beruft es sich auf vier Urteile des Reichsgerichts aus den Jahren 1913,1915,1916 und 1917. Wer im Geschichtsunterricht aufgepasst hat, dürfte jetzt keine Probleme haben – richtig, es geht um Beschränkungen aufgrund der damals vorherrschenden Kriegssituation. Ob man einen Weltkrieg mit einer Pandemie vergleichen kann, mag dahinstehen. Festhalten lässt sich zumindest, dass die Rechtsprechung und das Rechtssystem als solches sich in den letzten 100 Jahren stark verändert haben dürften. In Zeiten multipler Transportmöglichkeiten und des Internets ist die Frage nach dem vertragsgemäßen Gebrauch (Stichwort: Onlineshopping und Lieferdienste) wohl in einem anderen Licht zu sehen, als es das Reichsgericht damals getan hat. Weiter heißt es, dass die Parteien im konkreten Fall ausdrücklich vertraglich festgehalten haben, dass die Nutzung der Gewerbefläche der Nutzung als Möbelgeschäft und Wohnaccessoires dienen soll und deshalb der vereinbarte Vertragszweck entfiele. Konsequenz? Der Vermieter trägt das Risiko und geht leer aus. Faktisch verlagert sich das Unternehmensrisiko also auf den Vermieter, welcher mit dem Betrieb des Geschäfts eigentlich nichts zu tun hat.

Ausblick

Wer das Urteil des LG München I liest, dem wird schnell klar, dass das Gericht nach dem letzten Strohhalm greift, um die Mietzahlungspflicht des Mieters zu auszusetzen. Die Tendenz wird nach juristisch korrekter Betrachtung wohl eher zugunsten der Vermieter ausfallen. Angesichts der gegensätzlichen Behandlung des gleichen Problems, wird höchstrichterliche Rechtsprechung kaum zu vermeiden sein. Es bleibt also spannend.