Über Konflikte und das Problem hinter dem Problem

In eigener Sache berichtet unser Kollege, Rechtsanwalt und zertifizierter Mediator Christian Marquardt, darüber, wie man mit gewissen Mediationstechniken zerfahren erscheinenden Verhandlungen wieder neuen Schwung verleihen kann.

Die Mediation ist ein (bekanntermaßen) vertrauliches und strukturiertes Verfahren, das darauf ausgerichtet ist, den Parteien unter Zuhilfenahme eines Mediators eine eigenverantwortliche und einvernehmliche Beilegung ihres Konfliktes zu ermöglichen (siehe dazu auch § 1 des MediationsG).

Dabei kommt dem Mediator zunächst und zuvörderst eine verfahrensleitende und strukturgebende Rolle zu (vgl. § 2 MediationsG). Darüber hinaus ist es aber im Gegensatz zu herkömmlichen Streitbeilegungsverfahren auch von entscheidender Bedeutung, die Komplexität des Konfliktes zu erkennen und herauszuarbeiten, um zu interessengerechten und nachhaltigen Lösungen für die Parteien gelangen zu können.

Da die Parteien – anders als in klassischen Verfahren – die Lösung ihres Konfliktes selbst „erarbeiten“ sollen, kommt dem Aspekt des gegenseitigen Zuhörens und Verstehens eine herausragende Bedeutung zu. Denn: nur wer wirklich verstanden hat, warum der andere „Streithahn“ bei bestimmten Themen ständig kräht, kann auch selbst aktiv zu einer nachhaltigen Lösung beitragen.

Dieser häufig in einem „Aha“-Effekt resultierende Aspekt des (gegenseitigen) Verstehens („Ach so, darum geht es Ihnen, ich verstehe!“) setzt allerdings eine saubere Herausarbeitung des eigentlichen Problems voraus, das sich nicht selten hinter dem vordergründigen Konflikt „versteckt“.

Dazu bedarf es wiederum ausreichender Gelegenheit, die Dinge aus- und anzusprechen und Erklärungen, Hintergründe und Motivationen für das eigenen Verhalten darzustellen.

Dass der dafür nötige Raum im Rahmen des Mediationsverfahren tatsächlich auch geschaffen wird, ist eine der zentralen Aufgaben des allparteilich handelnden Mediators.

Das Gefühl, ausreichend gehört und verstanden worden zu sein, stellt sich den Konfliktparteien oftmals erstmalig im Rahmen eines solchen Verfahrens.

Doch sind diese Qualifikationen des Mediators bei weitem keine „Zauberei“, sondern erfordern Techniken, die jeder erlernen kann, dem es wichtig ist, gute und nachhaltige Lösungen für „sich und seinen Konflikt“ zu erzielen.

So kann es oftmals schon ausreichend, aber äußerst hilfreich sein, wenn die Aussagen des Gegenübers zusammengefasst und mit der Bitte um Bestätigung des gewonnenen Verständnisses vorgetragen werden. Im zugrundeliegenden Beispielsfalle streiten sich zwei Erben (nachfolgend E1 und E2) um die weitere Verwendung eines an einem See in den Bergen gelegenen Grundstückes, wobei beide das Grundstück gerne für sich allein beanspruchen wollen:

M (zu E1): „Sie möchten das Grundstück also gerne für sich alleine nutzen, habe ich das richtig verstanden?“ – E1: „Richtig, genau.“
M (zu E2): „Und Sie möchten das Grundstück ebenfalls gerne für sich alleine nutzen, stimmt das auch?“ – E2: „Ja genau, das stimmt.“

M (zu E1): „Und wofür wäre es gut, wenn Sie das Grundstück für sich alleine nutzen könnten?“ – E1: „Ja, dann könnte ich dort meine Sommerurlaube mit Baden im See und Spaziergängen in den Bergen verbringen und ich könnte mich toll erholen.“

M (zu E2): „Und wofür wäre es gut, wenn Sie das Grundstück für sich alleine nutzen könnten?“ – E2: „Dann könnte ich im Winter in den Bergen Skifahren und auf dem See Schlittschuh fahren und käme mit voller Energie zurück in meinen Alltag.“

Der (zugegebenermaßen vereinfacht) dargestellte Fall zeigt, dass eine mögliche und wahrscheinliche Lösung darin liegen könnte, dass das Grundstück zwischen den Parteien je nach Jahreszeit abwechselnd genutzt wird. Doch erst mit der Offenlegung der hinter dem Konflikt um das Grundstück liegenden Motivationslage eröffnen sich Chancen für eine gute und nachhaltige Lösung.

Manchmal bedarf es also nicht viel, um einen scheinbar verhärteten Konflikt zu einer guten Lösung zu führen. Im Fokus stehen dabei vielmehr die Fähigkeit des Zuhörens, des Interesses am Gegenüber und dem Blick für das „Problem hinter dem Problem“.

Die Freude über das gemeinschaftlich erzielte Ergebnis stellt sich dann oft von ganz allein ein.