Fahrverbote höchstrichterlich auf dem Prüfstand

In Paris und Brüssel beispielsweise sind Fahrverbote und Umweltzonen sind ganz normal. In Deutschland hingegen wird man den Eindruck nicht los, dass Fahrverbote vielerorts auf Unverständnis treffen.

Recht deutlich wirkt auch die Haltung der Bundesregierung: Bereits die jüngst umgesetzten Änderungen des Bundesimmissionsschutzgesetzes (BImSchG) (wir berichteten im Januar), wonach Beschränkungen und Fahrverbote in Gebieten, in denen ein Wert von 50 Mikrogramm Stickstoffoxide pro Kubikmeter im Jahresmittel nicht überschritten werden, für nicht erforderlich erklärt wurden, entspricht im Grunde nicht den europäischen Vorgaben.

Auch zahlreiche Verwaltungsgerichte sahen die europäischen Richtwerte unterlaufen und forderten Städte und Gemeinden in der Vergangenheit dazu auf, Fahrverbote anzuordnen und durchzusetzen. An dieser Rechtsauffassung sollte auch die geplante Änderung des BImSchG nichts ändern. Auch wenn das Gesetz vorgab, ab welchem Grenzwert Beschränkungen und Fahrverbote als erforderlich eingestuft werden sollten, prüfen die Richter anhand des Einzelfalls die Verhältnismäßigkeit sämtlicher Maßnahmen.

Aktuell hat sich auch ein Obergericht, der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (VGH BaWü), den übrigen Verwaltungsgerichten angeschlossen und dabei die geänderte Version des BImSchG angewendet. In dem aktuellen Urteil (vom 18.03.2019, Az.: 10 S 1977/18) ging es um die Stadt Reutlingen. Dort versucht man bereits seit Jahren, die EU-Grenzwerte einzuhalten – ohne Erfolg bisher. Der Stickstoffwert betrug zuletzt 53 Mikrogramm pro Kubikmeter für das Jahr 2018. Fahrverbote sah der bisher geltende Luftreinhalteplan nicht vor.

Der VGH BaWü entschied, dass der vorliegende Luftreinhalteplan weder europäisches noch nationales Recht in ausreichender Weise gerecht werde. Die Durchsetzung von Dieselfahrverboten hätte ermöglicht, dass die Grenzwerte bereits zu einem früheren Zeitpunkt erreicht worden wären. Der Zeitraum, in denen die Grenzwerte nicht eingehalten werden, solle nämlich so kurz wie möglich gehalten werden. Zudem sei die Wirkung der von der Stadt Reutlingen ins Verfahren eingebrachten und vorgeschlagenen Maßnahmen nicht klar vorauszusagen und damit zu unsicher. Der Luftreinhalteplan müsse nachgebessert werden – ohne, dass Fahrverbote generell auszuschließen seien.

Die Richter des VGH BaWü äußerten sich zudem zur Neuregelung in § 47 Abs. 4a S. 1 BImSchG. Diese war im vorliegenden Fall zunächst nicht anwendbar, da der in Reutlingen gemessene Grenzwert über 50 Mikrogramm pro Kubikmeter lag. Dennoch wird klargestellt, dass, sofern man die Regelung so verstehen müsse, dass typischer Weise auf Fahrverbote zu verzichten sei, wenn die Immissionsbelastung 50 Mikrogramm pro Kubikmeter nicht überschreite, sie nicht europarechtskonform wäre. Als Konsequenz wäre aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts die EU-Regelung vor der nationalen Regelung anzuwenden.

In Stuttgart wird bereits ein Fahrverbot umgesetzt. Hiergegen wehrten sich mehrere Gegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes. Nachdem das Verwaltungsgericht Stuttgart die Eilanträge abgelehnt hatte, liegt nun die Beschwerde beim VGH BaWü. Es bleibt abzuwarten, wie die Entscheidung in diesem Fall ausfällt.