Zur Begründung von Masseschulden in der vorläufigen Eigenverwaltung

Der BGH hat Ende 2018 durch ein Urteil festgelegt, auf welche Weise ein Schuldner im Rahmen einer vorläufigen Eigenverwaltung Masseverbindlichkeiten begründen kann. Da kaum eine andere Frage zur vorläufigen Eigenverwaltung in den letzten Jahren derart umstritten war, möchten wir dieses – unserer Ansicht nach – sehr praxisrelevante Urteil näher erklären.

Anfang des Jahres 2014 wurde über das Vermögen der Schuldnerin die vorläufige Eigenverwaltung angeordnet und der spätere Kläger als vorläufiger Sachwalter bestellt. Nachdem dieser den Freistaat Thüringen über dessen Bestellung informiert hatte, zahlte die Schuldnerin noch während des Eröffnungsverfahrens an das Finanzamt einen Betrag in Höhe von rund 86.000 € als Umsatz- und Lohnsteuer. Der Kläger wurde schließlich nach Eröffnung der Eigenverwaltung zum Sachwalter bestellt. Auf Grundlage des § 130 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 InsO focht er die Zahlung an. Eine Erstattung lehnte das Finanzamt jedoch ab.

Die auf Rückzahlung gerichtete Klage vor dem Landgericht Erfurt hatte zunächst keinen Erfolg. Das Oberlandesgericht Jena als zweite Instanz gab der Klage wiederum statt. Der BGH hatte anschließend über die gegen diese Entscheidung gerichtete Revision zu entscheiden, die ohne Erfolg blieb.

Die Richter am höchsten deutschen Zivilgericht kamen zu dem Schluss, dass Verbindlichkeiten, die in der vorläufigen Eigenverwaltung vom Schuldner selbst oder vom vorläufigen Sachwalter begründet werden, nicht von sich aus Masseschulden seien. Derartige Verbindlichkeiten stellten nur dann Masseverbindlichkeiten dar, wenn sie auf Grundlage einer vom Insolvenzgericht erteilten Ermächtigung begründet worden seien. Das gleiche solle zudem für ein Schutzschirmverfahren nach § 270b InsO gelten.

Das Verfahren der vorläufigen Eigenverwaltung unterscheide sich in dieser Hinsicht nicht von einem sonstigen Eröffnungsverfahren. Die Rechtsstellung des Schuldners entspreche dabei gerade nicht derjenigen eines starken vorläufigen Verwalters. Daher kann nicht die Rede davon sein, dass der Schuldner im vorläufigen Eigenverwaltungsverfahren stets Masseverbindlichkeiten begründen könne.

Erst mit der Anordnung des Eigenverwaltung bei Verfahrenseröffnung erlange der Schuldner das Recht, die Insolvenzmasse zu verwalten und über sie zu verfügen. Während eines vorläufigen Eigenverwaltungsverfahrens sei dies noch nicht der Fall. Insolvenzspezifische Befugnisse werden dem Schuldner – im Gegensatz zum starken vorläufigen Verwalter – gerade nicht zugewiesen.

Die Vorschrift des § 270b Abs. 3 InsO, wonach auf Antrag des Schuldners im Rahmen des Schutzschirmverfahrens das Gericht anzuordnen hat, dass der Schuldner Masseverbindlichkeiten begründet hat, sei eine Privilegierung des Schuldners im Schutzschirmverfahren. Der Schuldner im Verfahren nach § 270a InsO (Eröffnungsverfahren der Eigenverwaltung) könne daher keine umfassendere Rechtsmacht besitzen.

Eine mögliche Ermächtigung zur Begründung von Masseverbindlichkeiten durch das Insolvenzgericht sei an den Schuldner zu richten und könne dabei einzelne und zumindest in der Art bezeichnete Verpflichtungen zum Gegenstand haben, die zulasten der späteren Masse gelten. Ob auch eine globale Ermächtigung möglich sei, lässt der BGH offen.

Im vorliegenden Fall gab es eine solche Ermächtigung durch das Insolvenzgericht nicht. Die vorliegend bezahlten Steuerschulden waren auch nicht gem. § 55 Abs. 4 InsO als Masseverbindlichkeit zu behandeln, da diese Vorschrift nicht auch Verbindlichkeiten aus dem Steuerschuldverhältnis erfasste, die vom Schuldner im Rahmen der vorläufigen Eigenverwaltung begründet wurden. Mangels einer planwidrigen Regelungslücke sei eine analoge Anwendung der Vorschrift ausgeschlossen. Zudem fehle es an der Vergleichbarkeit der beiden Verfahrensarten, insbesondere hinsichtlich der Befugnisse der vorläufigen Sachwalter und Insolvenzverwalter.