Mögliche Enteignungen in Berlin: Gutachten zur rechtlichen Zulässigkeit

Die Berliner Initiative „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ hat sich als Ziel gesetzt, gewinnorientierte Immobilienkonzerne mit einem Bestand von mehr als 3.000 Wohnungen in Berlin zu vergesellschaften. Glaubt man den aktuellen Umfragen, findet das hierzu angestrebte Volksbegehren in der Hauptstadt annähernd mehrheitlichen Zuspruch.

Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen hat drei Verfassungsrechtler um ihre erste Einschätzung gebeten, ob und auf welcher Grundlage das Land Berlin eine solche Vergesellschaftung von großen Wohnimmobilienunternehmen per Gesetz anordnen kann. Wir fassen die wichtigsten Aussagen dieser Gutachten – sie kommen übrigens alle zu demselben Ergebnis – zusammen.

Eines vorweg: Art. 14 GG gewährleistet den Schutz des Eigentums und regelt in seinem Abs. 3, dass Enteignungen nur zum Wohle der Allgemeinheit und gegen eine angemessene Entschädigung zulässig sind. Art. 15 GG wiederum spricht davon, dass Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel zum Zwecke der Vergesellschaftung in Gemeineigentum überführt werden können. Angemessene Entschädigungen müssen auch hier geleistet werden. Die Begriffe Enteignung und Vergesellschaftung sind daher nicht inhaltsgleich, weisen aber Gemeinsamkeiten auf.

Verfassungsrechtler Dr. Reiner Greulen kommt in seinem Gutachten zu dem Schluss, dass Wohnimmobilien gem. Art. 15 GG in eine gemeinschaftliche, nicht-gewinnorientierte Form überführt werden können. Notwendig sei hierzu ein formelles Gesetz, dass vom Land Berlin erstellt werden könnte. Problematisch könnte jedoch sein, dass öffentliche Vermieter von der Vergesellschaftung nicht betroffen seien. Nicht problematisch sei hingegen die grundrechtliche Garantie des Privateigentums. Sofern angemessener Wohnraum nicht auf andere Weise geschaffen werden könnte, sei eine Vergesellschaftung ein erforderliches Mittel hierzu. Die Entschädigungsleistungen können dabei auch deutlich unter dem Verkehrswert der Immobilie liegen, um der gemeinwirtschaftlichen Zielsetzung gerecht zu werden.

Auch der Anwalt beim Bundesgerichtshof Prof. Dr. Volkert Vorwerk prüfte die Pläne der Initiative an den Voraussetzungen des Art. 15 GG und kam ebenfalls zu dem Ergebnis, dass ein entsprechendes Gesetz vom Land Berlin erlassen werden könnte. Da Mietpreisbremse, Kappungsgrenzen und die getroffenen Regelungen zur Zweckentfremdung von Wohnraum Mieter in Berlin bisher nicht ausreichend schützen konnten, müsse der Gesetzgeber einer Verarmung von Mietern aufgrund von ständig steigenden Mieten weiterhin entgegenwirken. Das Sozialstaatsprinzip fordere daher einen staatlichen Eingriff durch eine Vergesellschaftung von Wohnraum. Dabei ist zusätzlich zu beachten, dass die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG auch Mieter als Besitzer schütze.

Schließlich ist auch der dritte Gutachter, Dr. Jörg Beckmann, der Ansicht, dass eine Vergesellschaftung nach Art. 15 GG möglich wäre. Zusätzlich weist er darauf hin, dass in Hinblick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz die Grenze von 3.000 Wohnung, ab denen Unternehmen vergesellschaftet werden sollen, näher begründet werden müsste. In diesem Zusammenhang äußerte er zudem Bedenken hinsichtlich der öffentlichen, landeseigenen Wohnungsunternehmen. Diese sollten seiner Ansicht nach auch Teil der neu zu schaffende Anstalt öffentlichen Rechts werden.